© RegioProjektCheck
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RegioProjektCheck

Das Software-Tool des „RegioProjektCheck“ verhilft zu vorausschauender Ansiedlungspolitik bei Wohn-, Gewerbe- und Einzelhandelsvorhaben. Standort-Entscheidungen lassen sich so mit Blick auf die Gesamtheit des Flächenmanagements treffen.

Ein mögliches Szenario

Es ist kein Einzelfall: Eine kleine Gemeinde am Rand einer größeren Stadt wuchs. Damit diese Dynamik nicht gebremst wurde, hat sie sich vor 10 Jahren dafür entschieden, ein neues Wohngebiet auszuweisen und zu entwickeln. Schließlich spülen neue Bürger Steuereinnahmen in die kommunalen Kassen, und der Supermarkt, der gleichzeitig mitentwickelt wurde, sollte auch die Haushalte der angrenzenden Wohngebiete mitversorgen. Kaufkraftpotenzial sei ja ausreichend vorhanden, das hatten damals alle gesagt, und über die neue Umgehungsstraße sei auch der neue Supermarkt gut zu erreichen.

Für die Entwicklung standen zu Beginn der Debatte drei Flächen zur Auswahl: je eine im Norden, Süden und Westen. Alle Beteiligten vor Ort waren der Meinung, man solle möglichst schnell entwickeln – der Projektentwickler sei auch mit der Nachbarkommune in Verhandlungen. „Welche Fläche aber nun am besten geeignet war, das konnte man nicht so genau sagen“, erzählt der ehemalige Bürgermeister. Der Investor wollte am liebsten die Fläche im Norden entwickeln: Die sei am besten zu erreichen und außerdem wäre man dort schon in Vorverhandlungen mit dem Landwirt, der gerne verkaufen wollte. Sein Betrieb war nicht mehr wirtschaftlich, für ihn war das eine willkommene Gelegenheit, sich zur Ruhe zu setzen.

Wirkungsbereiche des Software-Tools. © RegioProjektCheck
Wirkungsbereiche des Software-Tools. © RegioProjektCheck

Standortentwicklung nach Bauchgefühl

Der Bürgermeister kann sich ganz gut an die damaligen Diskussionen erinnern: „Wir haben natürlich erörtert, ob die Vorstellungen der Projektentwickler mit unseren Vorstellungen als Kommune übereinstimmen.“ Nach Einschätzung der Fachplaner sei der westliche Standort deutlich besser geeignet gewesen. Schließlich gab es im Westen der Gemeinde keinen Supermarkt, und die letzten kleineren Wohngebiete wurden auch hier entwickelt. Aber das war eher ein „Bauchgefühl“, das man eigentlich erst einmal hätte ordentlich untersuchen müssen. Für eine Prüfung aller drei Flächen sei aber damals nicht genug Zeit gewesen. Weitere verantwortliche Lokalpolitiker hätten zudem nicht mittragen wollen, dass man für Flächen, die nur „eventuell“ entwickelt werden sollten, überhaupt Geld für Gutachten ausgeben solle. „Das wäre zu teuer und politisch nicht umsetzbar gewesen“, resümiert der Bürgermeister. Auch weil der Landwirt, dem die Fläche im Norden gehörte, gut mit den Lokalpolitikern aus der größten Fraktion konnte. Der Projektentwickler war damals bereit, sich an den Planungs- und Gutachterkosten zu beteiligen, aber nur für sein präferiertes Grundstück im Norden. Sicher, heute sei man schlauer, aber damals? „Wir hätten eine Entscheidung gegen die Fläche im Norden inhaltlich gar nicht begründen können“, so der Fachplaner der Kommune.

„Unser Simulations-Tool schätzt die regionalen Auswirkungen eines Bauvorhabens ab und lenkt den Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger, HafenCity Universität Hamburg

Fehleinschätzungen belasten Kommunen und Bürger

In der Zwischenzeit wurde die Fläche im Norden entwickelt. Allerdings nicht so schnell, wie erhofft. Die Kosten für die technische Infrastruktur waren auch höher und die Steuereinnahmen deutlich geringer als erwartet. Mittlerweile sind zwar 60 Prozent der Häuser gebaut und verkauft, aber richtig gut läuft es in dem Wohngebiet nicht. Einzig der neue Supermarkt boomt, spätestens seit der nahe gelegene „alte“ Markt schließen musste. Der war der modernen Konkurrenz nicht gewachsen. Dafür müssen jetzt die Bewohner aus dem inneren Kernstadtbereich in den Norden fahren, da es im Zentrum keine Nahversorgung mehr gibt. „Das war in der Tat nicht geplant, aber die Gutachten, die uns der Entwickler vorgelegt hat, haben uns attestiert, dass der Norden unserer Gemeinde zwei Supermärkte vertragen würde“, erläutert der zuständige Fachplaner.

 

Die Realität sieht anders aus: Der Einkaufsweg für viele Kunden sei jetzt länger geworden. „Mit dem Wissen von heute“, so der Bürgermeister, „hätten wir das Projekt bestimmt nicht durchgewunken. Wir hätten eine Art kostenloses Gutachten für alle drei Standorte gebraucht, dann hätten wir objektiv abwägen können. Aber so eine Grundlage hatten wir nicht.”

Neue Supermarktansiedlungen werden häufig kontrovers diskutiert. © RegioProjektCheck
Neue Supermarktansiedlungen werden häufig kontrovers diskutiert. © RegioProjektCheck

RegioProjektCheck stützt die Planung

Die Geschichte ist fiktiv, kann aber ähnlich in vielen Kommunen erzählt werden. Das Beratungswerkzeug RegioProjektCheck setzt hier an und soll als Entscheidungshilfe unterstützend in der frühen Planungsphase genutzt werden. Damit können Kommunen die positiven und negativen Wirkungen, die durch neue Wohngebiete, Gewerbeflächen und Einzelhandelsansiedlungen zu erwarten sind, überschlägig abschätzen. Betrachtet werden sieben Wirkungsbereiche:

• kommunale Infrastrukturkosten,

• kommunale Einnahmen,

• Verkehrsauswirkungen auf Straßen im Projektumfeld,

• Energieverbrauch durch den Bau und Betrieb neuer Gebäude,

• Veränderung der ökologischen Wertigkeit von Flächen,

• Erreichbarkeit von infrastrukturellen Grundausstattungen und Arbeitsplätzen,

• Standortkonkurrenz bei der Neuansiedlung von Lebensmittelmärkten.

Die Wirkungen werden nicht an den administrativen Grenzen einer Kommune beschnitten, sondern können auch für die angrenzenden Kommunen, d. h. im regionalen Kontext dargestellt werden.

Folgen frühzeitig abschätzen

RegioProjektCheck ersetzt kein fachlich fundiertes und auf den Einzelfall bezogenes Gutachten (das im spezifischen Fall immer viel genauer ist); es kann aber Informationen zu geplanten Projekten zu einem sehr frühen Planungszeitpunkt – also dann, wenn noch keine Standortentscheidungen gefallen sind – bereitstellen, Diskussionen vor Ort objektivieren und damit Abwägungsprozesse unterstützen. Die Akteure vor Ort sollen zu jeder Zeit „Herren des Verfahrens“ bleiben.

 

RegioProjektCheck trifft also keine Entscheidungen für oder gegen ein Projekt oder einen Standort. Das Beratungswerkzeug kann jedoch die Wirkungen von unterschiedlichen Projekten oder von Projekten an verschiedenen Standorten grob abschätzen und miteinander vergleichen.

Kommunen können mit RegioProjektCheck die Folgen von Wohn- und Gewerbeprojekten frühzeitig abschätzen. © Gutsche
Kommunen können mit RegioProjektCheck die Folgen von Wohn- und Gewerbeprojekten frühzeitig abschätzen. © Gutsche

Freier Zugang zum Werkzeug

RegioProjektCheck ist als OpenSource-Werkzeug konzipiert. Interessierte Kommunen, Stadtplanungsämter und private Planungsbüros können es von der Projekthomepage www.regioprojektcheck.de kostenfrei heruntergeladen und auf dem Rechner installieren. Anwender benötigen als Systemvoraussetzung die Software ArcGIS sowie die Bereitschaft, sich in die Nutzeroberfläche einzuarbeiten.

Um nach der Installation die Berechnungen starten zu können, müssen zunächst projektspezifische Daten eingegeben und das Projekt auf einer Karte eingezeichnet werden. In den nächsten Schritten werden noch einige Rahmendaten zur Kommune und Region abgefragt. Bei der Konzeption des Werkzeugs bestand die Herausforderung, den Aufwand für die Beschaffung der Daten und deren Eingabe möglichst gering zu halten, aber gleichzeitig möglichst belastbare Ergebnisse zu erzeugen.

Die Ergebnisse in den einzelnen Wirkungsbereichen werden in Form von Tabellen, Karten und Abbildungen ausgegeben und nicht untereinander gewichtet. Das heißt, die Entscheidung über die Bedeutung der einzelnen Wirkungen muss nach wie vor von den zuständigen Fachleuten vor Ort getroffen werden.

Dabei soll der thematisch recht breite Ansatz von sieben unterschiedlichen Wirkungen dem Nutzer die Möglichkeiten geben, ökonomische, ökologische und soziale Aspekte zusammenzubringen und – sofern der Nutzer es denn möchte – gemeinsam zu betrachten.

„Die wichtigen Entscheidungen der Landnutzung fallen nach wie vor auf kommunaler Ebene.“

Prof. Dr.-Ing. Thomas Krüger, HafenCity Universität Hamburg

Die inhaltliche und technische Konzeption des Beratungswerkzeugs war überaus anspruchsvoll. Das hat sich auch in den Diskussionen innerhalb der Projektgruppe und mit den eingebundenen Experten und Modellregionen gezeigt. Nach den positiven Erfahrungen in den Regionen – u.a. Landkreis Harburg und Rheinisch-Bergischer Kreis – geht das RegioProjektCheck-Team davon aus, dass es gelungen ist, ein anwendungsfreundliches und gleichzeitig fachlich fundiertes Tool zu entwickeln.

Deshalb hat man sich entschlossen, zusätzlich zur kostenlosen Download-Möglichkeit die Programmierung des Beratungswerkzeugs beim offenen Hosting-Dienst www.github.com einzustellen. Dadurch erhalten alle Interessierten die Möglichkeit, die Software von RegioProjektCheck weiterzuentwickeln und bei Bedarf an die spezifischen Bedürfnisse einer Kommune anzupassen.

Die Verbundpartner hoffen, dass dieses Angebot genutzt und RegioProjektCheck vielerorts eingesetzt wird. Im Fokus steht die Leitidee, Kommunen bei der Entscheidungsfindung zur Standortentwicklungpraxisnah zu unterstützen.