© Jörg Strackbein (UDE)
© Jörg Strackbein (UDE)

KuLaRuhr

Der Emscher Landschaftspark liegt mitten im Ruhrgebiet, ein grünes Land mit Industriedenkmalen, Wohnsiedlungen und Gewerbe. Das Forschungsprojekt zeigt, wie der Erhalt des Parks finanzierbar wird. Es setzt zudem auf urbane Landwirtschaft. Ein Erfahrungsbericht.

Landwirtschaft in einem der größten Ballungsräume Europas

Die Metropole Ruhr ist eine Region im schnellen Umbruch. Dieser Umbruch bringt viele Herausforderungen in der Infrastruktur mit sich: in der Wasser- und Energiewirtschaft, bei Logistik und Verkehr. Im Verbundprojekt KuLaRuhr arbeiteten Wissenschaftler und Praktiker in zahlreichen Arbeitsgruppen, Dialogprozessen und Werkstätten an diesen Herausforderungen.

Wer hätte gedacht, dass der größte Landnutzer der Metropole Ruhr, deren Gesicht vom Bergbau geprägt ist, die Landwirtschaft mit einem Flächenanteil von fast 40 Prozent ist? Wenngleich ein Großteil dieser Flächen im periurbanen Bereich des Ballungsraumes liegt, spielt die Landwirtschaft auch im urbanisierten Zentrum der Metropolregion eine wichtige Rolle. Hier konzentrieren sich Landwirtschaft und Gartenbau auf die „regionalen Grünzüge“ des Emscher Landschaftsparks zwischen Dortmund, Essen, Bochum usw. Landschaftsprägender Akteur des Regionalparks ist mit einem Flächenanteil von etwa 37 Prozent die Landwirtschaft. In den 1990er Jahren ging es überwiegend um ästhetisch ansprechende Neunutzungskonzepte von Industrieflächen und -trassen, die zu Räumen für Freizeit und Erholung umgestaltet wurden. Heute hingegen rückt die häufig als „Freiraum“ bezeichnete Agrarfläche mehr und mehr in den Fokus der Betrachtung. Im Kontext dieses Wandels und des globalen Trends „urban gardening“ kann die urbane Landwirtschaft zu einem wichtigen Akteur und Partner für den Emscher Landschaftspark, aber auch die gesamte Metropole Ruhr werden.

Bedeutung und Ausstrahlung der urbanen Landwirtschaft

Im Verbundprojekt KuLaRuhr konnte gezeigt werden, dass die urbane Landwirtschaft aufgrund der Polyzentralität eng mit den Ballungskernen verzahnt und an die besonderen Rahmenbedingungen der größten deutschen Metropolregion angepasst ist. Hierzu gehören wertschöpfungsstarke Sonderkulturen, Direktvermarktungskonzepte und diverse Dienstleistungsangebote. So trägt die urbane Landwirtschaft zur Stadtökonomie bei und erbringt parallel vielfältige Funktionen und Leistungen für die Gesellschaft und Umwelt.

Die Netzwerkarbeit mit Landwirten und Gärtnern, öffentlichen Verwaltungen, Planern, Wissenschaft und der breiten Öffentlichkeit war daher ein Schwerpunkt in KuLaRuhr, um die Bedeutung der urbanen Landwirtschaft sowohl in der landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Praxis als auch in raumrelevanten Planungs- und Entscheidungsprozessen zu verankern. Hier bieten die begonnenen Allianzen zwischen dem Regionalverband Ruhr (RVR) als Träger des Emscher Landschaftsparks und der Landwirtschaftskammer erfolgversprechende Anknüpfungspunkte. Diese Ansätze können sich positiv auf die Gesellschaft und urbane Kulturlandschaft auswirken sowie als Vorbild für andere Ballungsräume dienen.

Tiger and Turtle: Magic Mountain in Duisburg. © Jörg Strackbein (UDE)
Tiger and Turtle: Magic Mountain in Duisburg. © Jörg Strackbein (UDE)

Biomasse-Nutzung finanziert Landschaftspflege

Der Emscher Landschaftspark war die Flächenkulisse von KuLaRuhr. Hier müssen neben den landwirtschaftlichen Flächen sowohl die touristischen Destinationen, wie das Welterbe Zollverein oder der Landschaftspark Duisburg-Nord, als auch das Patchwork von Stadtteilparks, Siedlungsgrün und Verkehrsbegleitgrün, Wohnbebauung, Industrie, Gewerbe und Infrastruktur betrachtet werden. Die Pflege und Weiterentwicklung dieser gesamten Flächen benötigt Management sowie eine ausreichende Finanzierung, was für die meisten Ruhrgebietskommunen eine schwierige Aufgabe ist. Daher wurde in KuLaRuhr analysiert, ob ein regionales Grünflächenmanagement in Kombination mit der energetischen Nutzung des anfallenden Grünschnitts einen Teil der Parkpflege finanzieren kann. Dies könnte dazu beitragen, die Kulturlandschaft angemessen zu erhalten.

Als Werkzeug zur Erfassung der Mengen und Energiegehalte des Grünschnitts, der Jahr für Jahr im Emscher Landschaftspark anfällt, wurde ein Biomassecode entwickelt, der es erlaubt, diese Daten genau und schnell anzugeben.

Die Untersuchungen zeigten, dass eine regional organisierte Verarbeitung der anfallenden Biomassen die Chance bieten würde, Stoffströme im Sinne regionaler Wertschöpfungsketten aufzubauen.

Gleichzeitig müsste es jedoch technische Weiterentwicklungen geben, z.B. bei der Verwertungstechnik von Grünschnitt, der für die energetische Nutzung nur schwer verwertbar ist. Unter diesen Bedingungen könnte ein deutlicher finanzieller Beitrag zu den Pflegekosten erwirtschaftet werden.

Die bisherigen Überlegungen zur Biomassestrategie haben bereits wichtige Anreize geliefert, die Zusammenarbeit der Städte und Kreise zu intensivieren und an der Gestaltung des Emscher Landschaftsparks mitzuwirken.

Unter Berücksichtigung aller Biomassesubstrate, die zur Gewinnung von Bioenergie genutzt werden können, wurde zudem ein integriertes Logistikkonzept entwickelt, das die Entscheidungsprozesse bei der Planung und Steuerung der Energiegewinnung aus Biomasse unterstützt. Diesem liegen alle wesentlichen Komponenten der Bioenergy Supply Chain (Bioenergie-Versorgungsketten) zugrunde, von der Biomassequelle bis zur Energiegewinnungsanlage.

Impulse für Stadtklima und Regenwasserbewirtschaftung

Für die Entwicklung tragfähiger Siedlungsstrukturen ist eine Sichtung der Flächenfunktionen wichtig, bei der vor allem Aspekte der Anpassung an den Klimawandel sowie der nachhaltigen Bewirtschaftung der Siedlungsgebiete im Vordergrund stehen. Anhand ausgewählter Modellsiedlungen wurden Handlungsoptionen identifiziert und zu logischen Maßnahmenpaketen zusammengefasst. Diese stützen sich einerseits auf die Möglichkeiten, die Freiräume im Sinne des Stadtklimas und der Freiraumnutzung zu optimieren. Andererseits behandeln sie auch die Frage der Weiterentwicklung der Siedlungsstruktur im Kontext des Stadtklimas und der Regenwasserbewirtschaftung.

Als praktische Anwendung wurde ein Konzept zur dezentralen Speicherung von Niederschlagswasser durch gesteuerte Zisternen erprobt. Hierbei wurde der Wasserstand in Zisternen auf Basis von Niederschlagsprognosen gesteuert. So kann im Fall eines Starkregenereignisses ausreichend Speichervolumen für die Wassermengen bereitgestellt werden. Darüber hinaus zeigte KuLaRuhr Ansätze zur Verbesserung der Gesamtwirkungsgrade der Siedlungen und auch für die Nutzung von Biomasse auf. Über eine Folgenabschätzung entlang der Themen Freiflächenpflege, Energieversorgung, Freiraumqualität und soziale Verträglichkeit wurden die Handlungsansätze miteinander verglichen und beurteilt. Die Maßnahmenpakete sind in einem Werkzeugkasten gebündelt. Mit dessen Hilfe lassen sich die bestehenden Siedlungsstrukturen so weiterentwickeln, dass sie den multifunktionalen Anforderungen im Kontext des Emscher Landschaftsparks entsprechen.

Großprojekt: Umgestaltung des Emscher-Systems. © Jörg Strackbein (UDE)
Großprojekt: Umgestaltung des Emscher-Systems. © Jörg Strackbein (UDE)

Neue Handlungsoptionen für Flächenumnutzung

Wie sind unterschiedliche Interessen und Flächenansprüche mit einem nachhaltigen Landmanagement vereinbar? Diese Frage untersuchte das Projektteam an ausgewählten Flächen anhand von alternativen Entwicklungsszenarien. Neben wirtschaftlichen Gesichtspunkten wurde hierbei besonderes Augenmerk auf Nachhaltigkeitsaspekte gelegt. Mittels Szenarien und Testentwürfen wurden Alternativen zu den bestehenden Planungen dargestellt; die inhaltliche Ausrichtung dieser Planungsalternativen basierte auf den Gegebenheiten und Erfordernissen der jeweiligen Flächen und des Emscher Landschaftsparks. Die Szenarien für den jeweiligen Standort wurden dann anhand der sich ändernden Biotopstrukturen, der städtebaulichen Kennzahlen und des Stadtklimas vergleichend bewertet.

Die Testentwürfe thematisierten neben einer Verwertung der Flächen im Sinne einer städtebaulichen Entwicklung auch Aspekte des Naturschutzes und der Freiraumentwicklung. Zudem integrierten sie aktuelle Themen wie Zwischennutzung der Flächen oder den gezielten Anbau von Biomasse. So wurden mögliche Zukunftsbilder der Flächen im Emscher Landschaftspark skizziert. In Kombination mit dem Bewertungskatalog ergeben sich für die Flächenentwickler Handlungsalternativen, die sich in den Kontext des Emscher Landschaftsparks einfügen und abwägen lassen.

Entspannung an der Emscher. © Jörg Strackbein (UDE)
Entspannung an der Emscher. © Jörg Strackbein (UDE)

Konzepte für naturnahe Umgestaltung von Gewässern

Die Auswirkungen des Bergbaus zeigen sich deutlich bei der Umgestaltung des Emscher-Systems – einem der größten Vorhaben zum naturnahen Umbau von Gewässern in Europa. Der Fluss Emscher und Teile seiner Nebengewässer wurden vor über 100 Jahren zu offenen Abwasserkanälen ausgebaut; bergbaubedingte Geländesenkungen machten ein unterirdisches Kanalsystem unmöglich. Erst mit dem Abklingen des Bergbaus wurde es möglich, die Kanäle unterirdisch zu verlegen.

„Der Park ist ein Patchwork aus Industriekultur, renaturierten Industrieflächen, ökologisch wertvollen Brachen sowie Grünanlagen und Landwirtschaft. Diese Vielfalt soll durch tragfähige Nutzungskonzepte erhalten und gestärkt werden.“

Prof. Dr. Bernd Sures, Universität Duisburg-Essen

In den letzten Jahren wurde damit begonnen, diese Bäche ökologisch zu verbessern: Das Abwasser wird unterirdisch abgeführt und das Gerinne naturnah gestaltet. Die Pflanzen und Tiere in den naturnah umgestalteten Bachläufen wurden in Abhängigkeit der jeweiligen Umweltbedingungen (z.B. der Landnutzung im Gewässerumfeld) untersucht. Hierbei zeigten fast 40 Prozent der untersuchten Probestellen ein gutes ökologisches Potenzial. Aus den detaillierten Ergebnissen leitete KuLaRuhr Vorschläge für die naturnahe Umgestaltung urbaner Gewässer ab, die von Planern und Wasserverbänden genutzt werden können. Die von KuLaRuhr gesammelten Erkenntnisse in den Zukunftsfeldern Wasser, Energie und Fläche und ihre Anwendung in der Metropole Ruhr sind wichtige Bausteine für eine lebenswerte urbane Landschaft.

Auch Frösche gehören zum ökologischen Potenzial des Parks. © Jörg Strackbein (UDE)
Auch Frösche gehören zum ökologischen Potenzial des Parks. © Jörg Strackbein (UDE)