© Erwin Noack
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RePro

Ein neues Heizkraftwerk, betrieben mit Restholz; gereinigtes Abwasser, das Pflanzen nährt – das Projekt „RePro“ schöpft Potenzial aus Sekundärressourcen. Forscher und Kommunen etablieren regionale Reproduktionsketten für Abwasser, Biomasse und Abwärme. Über die Kreativität, aus Resten das Beste zu machen.

Zum Wegwerfen zu schade

„Schrumpfende Regionen im ländlichen Raum werden oft mit der Problembrille betrachtet. Wir haben uns auf die Potenziale konzentriert“, sagt Andreas Claus, Bürgermeister der brandenburgischen Stadt UebigauWahrenbrück. Gemeinsam mit dem Landkreis Wittenberg hat sich die Stadt im transdisziplinären Forschungsverbund „RePro – Ressourcen vom Land“ für die regionale Wertschöpfung aus ländlichen, bisher ungenutzten Ressourcen engagiert. Denn in Zeiten demografischer Schrumpfung, Klimaanpassung und Energiewende können ländliche Sekundärressourcen wie Grünschnitt, Waldrestholz oder Biogas-Abwärme zur regionalen Wertschöpfung beitragen, innovative Landnutzungen ermöglichen und den Aufbau dezentraler, postfossiler Versorgungsstrukturen für Strom und Wärme befördern. Konkret haben die beiden Regionen gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern der BTU Cottbus-Senftenberg, Hochschule Anhalt, TU Berlin und des Berliner inter 3 Instituts für Ressourcenmanagement sieben umsetzbare regionale Re-Produktionsketten identifiziert, einzelne Ketten vor Ort aufgebaut und vielfältige Instrumente zur Verstetigung der Strategien für andere interessierte Gemeinden entwickelt. Seit Sommer 2013 können sie ländliche Ressourcen bei sich vor Ort mithilfe eines RePro-Planers in Wert setzen und vermarkten.

Hackschnitzelproduktion aus Waldrestholz in Waldgebieten des Landesbetriebs Forst bei Oppelhain in Südbrandenburg. © RePro
Hackschnitzelproduktion aus Waldrestholz in Waldgebieten des Landesbetriebs Forst bei Oppelhain in Südbrandenburg. © RePro

Re-Produktionsketten im Bereich Energie und Wasser

Ausgangspunkt des dreijährigen Forschungsprojekts war die Frage, wie man in ländlichen, schrumpfenden Regionen neue, nachhaltige Wertschöpfungsketten tragfähig umsetzen kann. Entlang dieser Leitfrage hat der Forschungsverbund Re-Produktionsketten beforscht, die für die Praxispartner realisierbar sind und für die ausgereifte Techniken bereits erfolgreich angewendet werden. Dabei wurden auf Grundlage des Konzepts der (Re)Produktivität (vgl. Biesecker/Hofmeister, 2006) nicht nur konkrete Projekterträge, Gewinne und Renditen untersucht, sondern darüber hinaus die stofflich-energetischen und wirtschaftlich-sozialen Auswirkungen auf regionaler Ebene betrachtet. Zum RePro-Team gehörten in beiden Regionen regionale Landmanager, die lokale Akteure beim Aufbau örtlicher Allianzen für regionale Wertschöpfungsketten unterstützten. Als erstes Ergebnis wurde ein Portfolio aus sieben Re-Produktionsketten rund um die Wasser- und Energie-Infrastruktur erarbeitet, die unter heutigen Bedingungen technisch umsetzbar, wirtschaftlich betreibbar und ökologisch wie sozial verträglich sind: Abwärme, Biomasse, Abfall, geklärtes Abwasser, Klärschlamm, Grünschnitt und Restholz (s. Grafik). Ob eine konkrete Nutzung vor Ort wirtschaftlich möglich ist, muss in jedem Einzelfall untersucht werden.

Wie aus Abfall Wertschöpfung entsteht – die sieben Re-Produktionsketten von „RePro“. © RePro
Wie aus Abfall Wertschöpfung entsteht – die sieben Re-Produktionsketten von „RePro“. © RePro

RePro-Planer stärkt regionale Wertschöpfung

Das Team hat als zweites Ergebnis den RePro-Planer (Grafik Seite 62) entwickelt: einen Werkzeugkasten, der lokalen Akteuren in den Praxisregionen – und darüber hinaus in allen interessierten Kommunen – Informationen über ökonomische, ökologische und soziale Aspekte der Re-Produktionsketten bereitstellt und dadurch die Projektplanung unterstützt. Im Projekt haben die Forscher mit Bürgermeistern, Bauamtsleitern, Unternehmern und anderen Praxispartnern sogenannte Lern-Partnerschaften gegründet.

 

Hier wurden Ideen und Erfahrungen mit der Wiederverwertung von Sekundärrohstoffen gesammelt und ermittelt, welche Instrumente für den Aufbau der Re-Produktionsketten nötig sind. Dann analysierten die Forscher verschiedene Projektansätze und befragten weitere Experten, beispielsweise zu forstwirtschaftlichen, bewässerungstechnischen oder rechtlichen Details. Die Ergebnisse diskutierten sie mit den Praktikern im Hinblick darauf, welche Sekundärrohstoffe sich nachhaltig und unternehmerisch lohnend nutzen lassen und welche Ansätze auf andere Gemeinden übertragbar sind.

 

Der RePro-Planer ist modular und anwenderfreundlich aufgebaut. Er beinhaltet zahlreiche Broschüren, Steckbriefe, Fachinformationen und Arbeitshilfen für den Aufbau der Re-Produktionsketten inklusive nachhaltigem Stoffstrommanagement. Die verschiedenen Instrumente geben Aufschluss darüber, welche Ressourcen beim Aufbau der regionalen Wertschöpfungsketten notwendig sind, wie sich die Potenziale bewerten lassen, was bei der Planung zu beachten ist und wie sich Fehler beim Transfer in die Praxis vermeiden lassen.

Landmanager initiieren neue Allianzen

Sowohl der Landkreis Wittenberg als auch die Stadt Uebigau-Wahrenbrück haben für das Projekt regionale Landmanager eingestellt, die lokale Akteure beim Aufbau örtlicher Allianzen für regionale Wertschöpfungsketten unterstützen. „Vertrauenswürdigkeit, Fachkompetenz, Initiative und ein robuster Optimismus sind die Schlüsselfaktoren für die Arbeit der Landmanager“, sagt Dr. Susanne Schön, Geschäftsführerin von inter 3 und Leiterin des Projekts. Denn trotz unbestreitbarer Nutzenerwartungen bleibe der Aufbau der Re-Produktionsketten voraussetzungsvoll: Es müssen ungewohnte technische Konzepte von neuen Allianzen angepackt werden, deren Akteure meist in ihr Alltagsgeschäft als Bürgermeister, Geschäftsführer oder Landwirt eingebunden sind.

Die Klärung gemeinsamer Interessen und das Austarieren zwischen Einzel- und Gemeinwohlinteressen sind aufwändig und brauchen Zeit. Nicht zuletzt sind im Kontext einer tradierten Ökonomik die „Gewinne“ vorsorgenden Wirtschaftens wie Gemeinwohl, gutes Leben oder Fürsorge für Mensch, Tier, Umwelt nur schwer darstellbar. „Genau die müssen aber sichtbar gemacht werden, um lokale Akteure zu motivieren, eingeübte Handlungsroutinen zugunsten alternativer Praktiken aufzugeben“, betont Schön. „Diesen Prozess haben die Landmanager in beiden Regionen aktiv vorangetrieben; sie haben Impulse gegeben, Treffen organisiert und als neutrale Instanz allen Beteiligten zur Seite gestanden.“

Die vier Bausteine des RePro-Planers. © RePro
Die vier Bausteine des RePro-Planers. © RePro

Aktuelle Projektplanung in der Region

Die Stadt Uebigau-Wahrenbrück hat sich auf den Aufbau drei konkreter Re-Produktionsketten konzentriert: die Restholz- bzw. Abwärmenutzung und den Aufbau von Nahwärmenetzen in zwei Ortsteilen sowie eine künftig mit gereinigtem Abwasser zu bewässernde Energieholzplantage. Konkret soll neben der bestehenden Wärmeversorgung der Grundschule Wahrenbrück mit Holzhackschnitzeln ein weiteres Holzhackschnitzel-Kraftwerk entstehen. „Die Stadt hat sich genügend Waldrestholz beim Landesforstbetrieb gesichert, um das Kraftwerk langfristig betreiben zu können“, erzählt Landmanagerin Yvonne Raban. Bei einem anderen Projekt der Stadt soll mit dem gereinigtem Abwasser der Teichkläranlage eine Energieholzplantage bewässert werden, so dass eine wirtschaftliche Produktion auch auf ertragsarmen Böden möglich ist. Auch die Stadt Gräfenhainichen im Landkreis Wittenberg plant die Verwertung von Restholz aus der umliegenden waldreichen Dübener Heide im bestehenden Nahwärmenetz.

Auf dem Weg zur Avantgarde

Beide Partnerregionen ist es gelungen, ihre Landmanager über ein weiteres Projekt zu beschäftigen. Sie konzentrieren ihre Arbeit zum einen auf regionale Bildungs- und Beratungsangebote zur Ressourcennutzung, zum anderen auf die Etablierung geeigneter Organisationsstrukturen für den Aufbau regionaler Re-Produktionsketten, beispielsweise einer Bürgerenergie-Genossenschaft oder eines Vereins. Die Stadt Uebigau-Wahrenbrück veranstaltet dazu jährlich eine Erneuerbare-Energien-Messe und baut die ehemalige Brikettfabrik LOUISE zum Transformationszentrum für Erneuerbare Energien aus.

Im Landkreis Wittenberg hat man sich gemeinsam mit dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld und der Stadt Dessau-Roßlau der „Energieavantgarde Anhalt” angeschlossen. Mit diesem Projekt wollen die Pioniere einer dezentralen Versorgung ihre ganze Region mit selbst gewonnener grüner Energie versorgen.

„Die regionale Ressourcennutzung benötigt neben brachliegenden Ressourcen auch regionalen Bedarf, sprich: mögliche Abnehmer und geeignete Geschäftsmodelle“, betont Landmanager Felix Drießen. „Deswegen hängt viel davon ab, lokale Vordenker und ein breites Netzwerk für die neue Idee zu gewinnen.”

Bürgermeister Andreas Claus startet die Bepflanzung der Energieholzplantage im Ortsteil Winkel, Mai 2013. © RePro
Bürgermeister Andreas Claus startet die Bepflanzung der Energieholzplantage im Ortsteil Winkel, Mai 2013. © RePro

Wissenschaft bringt Know-how in Kommunen

Forscher wollen Neues entdecken – Praktiker hingegen möchten auf dem aufbauen, was sich in der Praxis bereits bewährt hat. Dazu benötigen sie Forschungsergebnisse, die sie nicht erst mühsam übersetzen müssen. Diesem für die anwendungsorientierte Forschung typischen Spannungsfeld hat sich der Forschungsverbund „RePro- Ressourcen vom Land“ bewusst gestellt. Regionale Landmanager und die intensive Zusammenarbeit zwischen Praxis und Wissenschaft in Lern-Partnerschaften sowie die Konzentration auf technisch ausgereifte Re-Produktionsketten und den allgemein verständlichen RePro-Planer tragen dazu bei, einer nachhaltigen regionalen Ressourcennutzung den Weg zu ebnen. „Die Energiewende muss für die Kommunen zur Pflichtaufgabe werden“, ist Marion Winkler, Leiterin für Raumordnung und Regionalentwicklung im Landkreis Wittenberg, überzeugt. „Die Umsetzung vor Ort erfordert allerdings Expertenwissen, für das in den oft klammen Kommunen häufig das Geld fehlt. Diese Lücke kann der RePro-Planer zur effizienten Verwertung regionaler Ressourcen schließen helfen.“