© Fa. Gedea
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Null-Emissions-Gemeinden

Zwei Modellkommunen in Rheinland-Pfalz wirtschaften auf ein emissionsfreies Leben hin. Ihr Schlüssel: Stoffströme zu Kreisläufen schließen und dabei Energie, Abfälle, Land und Wasser zusammen denken. Aus konkreten Ideen wird konkrete Praxis.

Ganzheitliche Lösungsansätze gefordert

Dynamische Wandlungsprozesse im technischen, sozialen und kulturellen Kontext haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen und erhöhen den Handlungsbedarf auf kommunaler Ebene. Insbesondere in ländlichen Räumen werden die Herausforderungen des demografischen Wandels, der Energiewende sowie divergierender Landnutzungsinteressen schnell sichtbar und verlangen nach neuen Lösungsansätzen, für eine zukunftsfähige Regionalentwicklung. Diese Lösungsansätze sind jedoch oft nur Teillösungen und greifen zu kurz. Synergien bleiben daher ungenutzt.

Null-Emission als Managementprozess

Das Projekt Null-Emissions-Gemeinden rückte die vielfältigen Entwicklungspotenziale der Kommunen in ländlich geprägten Räumen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Null-Emissions-Gemeinden sollen ihre Ressourcen wie Flächen und Infrastruktur gezielt in Wert setzen. Bisherige Null-Emissions-Konzepte zielten primär darauf ab, den CO2-Ausstoß bei der Energieproduktion zu senken und rechnerisch eine Klimaneutralität zu erreichen. Das Projektteam verfolgte hier einen erweiterten Ansatz: Null-Emission versteht sich als kontinuierlicher Management- und Verbesserungsprozess. Dies trägt dazu bei, den notwendigen Strukturwandel für eine nachhaltige Landnutzung zu gestalten und den Wandel der konventionellen Verwaltungsstruktur zu einem aktiven Management zu erreichen. Hierdurch sollen die Flächeninanspruchnahme verringert, (regionale) Mehrwerte generiert und der Druck auf das Gesamtsystem gesenkt werden.

Um Null-Emission auf kommunaler Ebene zu erreichen, wird der Aufbau einer regionalen Kreislaufwirtschaft mittels Stoffstrommanagement in den Handlungsbereichen Energie, Wasser, Sekundärrohstoffe und Kulturlandschaft forciert. Damit einhergehende Nutzungskonflikte hinsichtlich der bestehenden und einer zukünftigen Landnutzung werden in den „Null-Emissions-Gemeinden“ systematisch offengelegt, um unter der Prämisse eines Nachhaltigen Landmanagements Lösungsansätze formulieren zu können.

Um die Implementierung dieser Strategie auf kommunaler Ebene zu erleichtern, wurde ein hierarchisches Zielsystem entwickelt, an welchem sich die Null-Emissions-Gemeinden künftig ausrichten.

„Eine Gemeinde kann sich nur nachhaltig organisieren, wenn eine ganzheitliche Betrachtung der Kommune erfolgt und die Bevölkerung die Entwicklung akzeptiert.“

Heike Müller, Landmanagerin, VG Sprendlingen-Gensingen

Von der Theorie in die Praxis – Die Modellkommunen

Mit den beiden Modellkommunen Sprendlingen-Gensingen und Rockenhausen (beide in Rheinland-Pfalz gelegen) wurde die Praxistauglichkeit der neuen Landnutzungsstrategien bereits während der Entwicklung erprobt. Die unterschiedlichen räumlichen und strukturellen Gegebenheiten der beiden Verbandsgemeinden (VG) boten die Gelegenheit, die Landnutzungsstrategien zu spezifizieren und die jeweiligen Auswirkungen abzugleichen. Die VG SprendlingenGensingen gilt als wirtschaftlich starke Zuzugsregion, die im Einzugsgebiet des Rhein-Main-Ballungsraums liegt. Sprendlingen-Gensingen hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Gesamtstrombedarf bis zum Jahr 2018 vollständig aus erneuerbaren Energien zu decken. Die VG Rockenhausen hingegen ist eine ländlich geprägte, strukturschwache Mittelgebirgsregion, die von den Auswirkungen des demografischen Wandels besonders betroffen ist. Bis zum Jahr 2020 möchte Rockenhausen seine Treibhausgasemissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 um 80 Prozent senken.

Strategien für steigende Energiepreise: Das Null-Emissions-Modell. © Null-Emissions-Gemeinden
Strategien für steigende Energiepreise: Das Null-Emissions-Modell. © Null-Emissions-Gemeinden

Landmanager stärken Partizipation und Vernetzung

Eine Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis wurde in den Modellkommunen durch die sogenannten Landmanager gewährleistet, welche bereichsübergreifend an Null-Emissions-Strategien arbeiten. In der VG Sprendlingen-Gensingen wurde die Stelle des Landmanagers bereits zur Stabstelle für Nachhaltigkeit weiterentwickelt und dabei mit der VG-eigenen Energieagentur vernetzt. Hier arbeiten Landmanager und Klimaschutzmanager gemeinsam an einer zukunftsfähigen Landnutzung. Neben den Landmanagern wurden zahlreiche Praxisakteure aus Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft in Form von Zukunftswerkstätten, Workshops und Werkstattgesprächen in die Strategieentwicklung einbezogen. Zudem hat die Zusammensetzung des Projektkonsortiums (wissenschaftliche Einrichtungen und privatwirtschaftliche Unternehmen) sowie die partizipative Entwicklung von „Next-Practice-Projekten“ unmittelbar zur Vernetzung zwischen Wissenschaft und Praxis beigetragen.

Potenziale erfassen und zur Anwendung bringen – ein übertragbares Modell

Im Rahmen des Projektes wurde ein strukturiertes Vorgehensmodell erarbeitet, auf dessen Grundlage die Kommunen künftig ihre Null-Emissions-Strategien planen können. Das Modell kombiniert Zielplanung und eine indikatorenbasierte Stoffstromanalyse. Damit können die Ausgangssituation sowie die Erfassung von Landnutzungspotenzialen innerhalb der Handlungsfelder Energie, Wasser, Sekundärrohstoffe und Kulturlandschaftsmanagement bestimmt werden. Das Vorgehensmodell wurde praktisch erprobt.

„Bisherige Null-Emissions-Konzepte zielten darauf ab, den CO2-Ausstoß bei der Energieproduktion zu reduzieren und rechnerisch eine Klimaneutralität zu erreichen. Wir gehen ganzheitlicher vor und erweitern den Ansatz um die Bereiche Wasser, Abfälle sowie Sekundärrohstoffe.”

Prof. Dr. Peter Heck, Hochschule Trier

Wesentliche Projektergebnisse:

• Umfassende Zieldefinition einer kommunalen Null-Emissions-Strategie sowie daraus abgeleitetes Indikatoren-Set zur Operationalisierung der Zielstellungen

• Erfassung und Evaluation von Ausgangssituation sowie Optimierungspotenzialen einer nachhaltigen Landnutzung innerhalb der Handlungsfelder Energie, Wasser, Sekundärrohstoffe, Kulturlandschaftsmanagement

• Visualisierung der Strategieauswirkung auf die Flächennutzung, durch die Kombination des Vorgehensmodell mit einem integrierten GISPlanungsinstrument zur Verortung von Potenzial- und Konfliktflächen

• Bewertung ökologischer, sozialer und insbesondere ökonomischer Entwicklungspotenziale anhand von Szenarien-Modellen und regionaler Wertschöpfungsberechnungen

• Organischer Sorptionsfilter (OSF): Konzepte zur Nährstoffrückhaltung, bei gleichzeitiger Produktion von Dünger-Substrat aus den Filtermaterialien und Bewässerung mit gereinigtem Abwasser

• Untersuchungen zum Einfluss von Dauerkulturen (Miscanthus/Agrarholz) und Biokohle(substrate) auf die Bodeneigenschaften sowie Potenzialerfassung zur Kohlenstoffspeicherung anhand von Versuchsflächen

• Entwicklung GIS-basierter Wärme- und Solardachkataster im Gebäudesektor für die Modellkommunen

• GIS-basierte Niederschlags- und Abflussmodellierungen zur Erfassung und Verbesserung von erosionsgefährdeten Flächen

Die vier Handlungsfelder auf dem Weg zur Null-Emissions-Gemeinde. © Null-Emissions-Gemeinden
Die vier Handlungsfelder auf dem Weg zur Null-Emissions-Gemeinde. © Null-Emissions-Gemeinden

Null-Emission als langfristiger Entwicklungsansatz

Nach Ablauf der Projektlaufzeit werden die beiden Modellkommunen weiter an der Umsetzung ihrer Null-Emissions-Strategien arbeiten und dabei von den erzielten Projektergebnissen profitieren können. Die Stabstellen der Landmanager sollen dauerhaft in den Verbandsgemeinden angesiedelt bleiben, um das Themenfeld des nachhaltigen Landmanagements zunehmend in die Verwaltungs- und Planungsprozesse der Gemeinden vernetzend einbringen zu können. Dabei profitieren die Landmanager insbesondere von der Kombination des entwickelten Vorgehensmodells in Verbindung mit dem integrierten GIS-Planungsinstrument.

Hierdurch soll die Verortung, Bewertung und Bewirtschaftung von Potenzial- und Konfliktflächen zum kontinuierlichen Verbesserungsprozess eines nachhaltigen Landmanagements führen und dieses positiv beeinflussen.

„Die nachhaltige Energieversorgung ist ein Schlüssel, um die lokale Wertschöpfung zu verbessern und gleichzeitig umweltbelastende Emissionen zu vermindern.“

Prof. Dr. Peter Heck, Hochschule Trier

Um eine hohe und praxisorientierte Übertragbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf andere Regionen zu erreichen, werden diese in Form eines Handbuchs (Leitfaden) für Kommunen verbreitet. Darin wird eine detaillierte Prozessanleitung zu Aufbau und Umsetzung kommunaler Null-Emissions-Strategien dargelegt und mit den evaluierten Auswirkungen der Modellstudien Sprendlingen-Gensingen und Rockenhausen beispielhaft hinterlegt.

„Die Kommunen sind offen für innovative Ansätze, wenn sie den wirtschaftlichen Mehrwert für sich entdecken.“

Marco Angilella, Hochschule Trier