© LÖBESTEIN
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Löbestein

Wie lässt sich der Anbau von Energiepflanzen mit dem Schutz von Umwelt und Natur vereinbaren? Statt auf Maismonokulturen setzt das Projekt „LÖBESTEIN“ auf einen Mix der Arten und der Technologien. Antworten aus Sachsen, die mit Hilfe von Zukunftsszenarien entstanden sind.

Bioenergie im Dilemma

In LÖBESTEIN lag der Fokus auf der Betrachtung von Biogas und Energieholz. Biogas gehört seit der Einführung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahr 2000 zu den am meisten diskutierten Energiethemen in der Politik, Gesellschaft und Medienlandschaft. Im Vordergrund der öffentlichen Debatte stand dabei vor allem die sogenannte Teller-Tank-Diskussion. Dabei geht es um die ethische Frage, inwiefern es gerechtfertigt ist, Lebensmittel für energetische Zwecke zu „verbrennen“, während immer noch viele Menschen weltweit an einer Unterversorgung mit Nahrungsmitteln leiden.

Ein weiteres Beispiel, das nach wie vor häufig thematisiert wird, ist der übermäßige Anbau von Mais, der auch gern als „Vermaisung“ bezeichnet wird. Die Diskussion wurde parallel zum vermehrten Bau von Biogasanlagen in Deutschland geführt, die mit einer weiteren Begünstigung durch das EEG ab etwa 2005 einsetzte und die Anlagenzahl von 2.680 Anlagen auf 7.960 im Jahr 2014 anwachsen ließ. Genau diese Problematik der Maismonokulturen war ein zentrales Thema des Projektes LÖBESTEIN. An der Auflösung der Diskrepanz, dass die Bioenergie als erneuerbare Energieform eigentlich zum Schutz von Klima und Natur beitragen sollte, forschten im Projekt gemeinsam Agrarwissenschaftler, Biologen, Forstwissenschaftler, Geographen, Juristen und Landschaftsplaner.

Um die Forschung möglichst praxisnah zu gestalten, wurden die Lausitzer Erzeugungs- und Verwertungsgemeinschaft nachwachsender Rohstoffe e.V. (LEVG) und das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in das Projekt eingebunden. Die LEVG e.V. stellte dabei das Bindeglied zu Unternehmen und Landwirten dar, die Bioenergie erzeugen. Das LfULG brachte die naturschutzfachliche Expertise, umfangreiche (Geo-)Daten und eine weitere Praxisperspektive ein. Als Untersuchungsgebiet wurde der Landkreis Görlitz ausgewählt, da er mit Ausnahme von Küsten und Hochgebirgen alle für Mitteleuropa typischen Naturräume umfasst.

Szenarien für künftige Bioenergienutzung

Der Forschungsprozess war auf die Szenariotechnik angelegt. Konkret bedeutet das, dass zukünftig mögliche Entwicklungen prognostiziert wurden, um potenzielle Fehlentwicklungen erkennen zu können. Zu diesem Zweck identifizierten die Wissenschaftler zunächst mit Hilfe der Bevölkerung die Treiber der Bioenergie-Nutzung. Dies geschah in einer gemeinsamen Diskussionsrunde mit den unterschiedlichsten Teilnehmern (wie z.B. Landwirte, Forstwirte, interessierte Bürger, Zivilgesellschaft). Es wurden das Erneuerbare-Energien- Gesetz, die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP), die Technologieentwicklung und das Engagement der Akteure als Schlüsseltriebkräfte ausgewählt. Diese wurden in einem zweiten Schritt dazu genutzt, „Geschichten“ (Storylines) für die Szenarien zu entwickeln, deren Zeithorizont bis zum Jahr 2020 reicht. Insgesamt wurden drei Szenarien entwickelt.

Das erste Szenario „Trend“ nimmt eine Trendfortschreibung an. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Bedingungen im EEG ähnlich bleiben, die GAP im bisherigen Rahmen fortgesetzt wird, weiterhin bewährte Technologien eingesetzt werden und die Akteure kein besonderes Engagement in Richtung umweltgerechterer Bereitstellung von Biomasse zeigen.

Szenario-Workshop 2012 in St. Marienthal. © Maik Denner
Szenario-Workshop 2012 in St. Marienthal. © Maik Denner

Extremszenarien: Umweltrelevanz oder freier Markt?

Die weiteren Szenarien beschreiben dagegen zwei extreme Entwicklungen. Das erste Extremszenario „Dezentral“ sieht vor, dass eine Förderung von Bioenergie nur mit verstärkten Umweltauflagen erfolgt. So müssen Landwirte, die Biogas erzeugen, einen Mindestanteil an Fläche mit alternativen Energiepflanzen bestellen. Auch GAP richtet sich in diesem Szenario ausschließlich an einer nachhaltigen Landnutzung aus. Landwirte erhalten nur noch Zahlungen durch die EU, wenn sie Umweltleistungen erbringen. Die Technologien werden in Richtung dezentraler Kleinanlagen weiterentwickelt. Dazu bilden an der Bioenergiebereitstellung interessierte Akteure vermehrt Zusammenschlüsse, die den Anlagenbau ermöglichen sollen.

Das zweite Extremszenario „Zentral“ geht davon aus, dass eine Politik des „freien Marktes“ durchgesetzt wird. Damit fallen die beiden Förderinstrumente EEG und GAP ersatzlos weg. Die Technologien entwickeln sich dadurch in eine Richtung, die nur noch die Errichtung von Großanlagen zulässt, da diese als einzige Anlagenform noch profitabel sind.

Abschätzung der ökologischen Folgen

Zur Umweltfolgenabschätzung auf Basis der Szenarien war es unumgänglich, die Ausgangslage im Jahr 2012 zu kennen. Dazu wurden alle Bioenergieanlagen mit den Informationen zu Leistung und Einsatzstoffen im Landkreis Görlitz aufgenommen. Zusätzlich wurden Daten zur Bodenqualität im Landkreis gesammelt. Um die Umweltfolgen gut abschätzen zu können, war es notwendig zu wissen, wo Energiepflanzen in der Region angebaut werden. Da hierfür keine konkreten Daten existieren, wurde auf Basis der vorliegenden Daten in einem Geoinformationssystem berechnet, wie die Agrarflächen angeordnet sind. Dieser Ist-Zustand und die Bedingungen in den drei Szenarien wurden wiederum mit dem Fachwissen der Bevölkerung im Landkreis Görlitz kombiniert, die basierend auf dem Ist-Zustand einen Anlagenzubau bis 2020 in Karten verorteten. Für die Szenarien wurden sogenannte Standardanlagen kreiert und nach dem gleichen Schema wie bei den Bestandsanlagen die Anbaufläche für Energiepflanzen berechnet.

Auf dieser Kartenbasis konnte mit der Abschätzung der Umweltfolgen begonnen werden. Hierfür wurden für den Landkreis Görlitz die Biomasseanbaugebiete der Bestands- und Szenarioanlagen mit sehr kleinräumigen, hochdifferenzierten Einheiten der naturräumlichen Gliederung in Bezug gesetzt. So wurde für jede einzelne Naturraumeinheit bewertet, wie sich der Energiepflanzenanbau in den Bereichen Bodenabtrag (Wind und Wasser), Nitratauswaschung, Treibhausgasbindung, Biodiversität und Landschaftsbild je nach Szenario auswirkt.

„Für den Biomasseanbau kann man eigene Gestaltungsmöglichkeiten nutzen. Negative Umweltauswirkungen und Flächenkonkurrenzen lassen sich reduzieren. Möglich wird das z.B. durch vorrangige Nutzung von Reststoffen und Landschaftspflegematerial sowie durch eine größere Vielfalt beim Energiepflanzenanbau.“

Dr. Gerd Lupp, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)

Maisanbau für die Biogasnutzung. © O. Bastian (IÖR)
Maisanbau für die Biogasnutzung. © O. Bastian (IÖR)

Starke Unterschiede bei ökologischen Folgen der Szenarien

Die Abschätzung der Umweltfolgen zeigte, in welchen Gebieten des Landkreises Görlitz künftig Risiken (für Umwelt bzw. Naturhaushalt) entstehen können, wenn die Szenarien tatsächlich eintreten. Im Szenario „Trend“ führt die Intensivierung der Landwirtschaft zu einem verstärkten Abbau von Humus im Oberboden und damit zu einer Freisetzung von Treibhausgasen. Eine Ausdehnung des Maisanbaus durch den Einsatz von Biogasanlagen zieht eine höhere Bodenerosionsgefahr nach sich, da Mais erst spät ausgesät wird und der Boden dementsprechend nicht geschützt ist.

Schönheit und Einzigartigkeit der Landschaft werden sich vermindern, indem vermehrt Monokulturen das Landschaftsbild prägen und die Nutzungsintensität der Wälder (für Energieholz) zunimmt. Insgesamt wachsen die Risiken für das Naturkapital auf landwirtschaftlichen Flächen und auch in Wäldern.

Im Szenario „Dezentral“ nehmen die Speicherung von Kohlenstoff und damit die Bindung von CO2 leicht zu, da die Anbauverfahren humusschonend sind und mehr Gehölze angepflanzt werden. Auch die Gefährdung des Bodens durch Erosion lässt dank schonender Anbauverfahren, Fruchtartenvielfalt und Gehölzpflanzungen nach. Die Agrarlandschaft gewinnt durch die geringere Nutzungsintensität an Attraktivität für Flora und Fauna (Biodiversität). Außer im Umkreis von Biogasanlagen sinken die Risiken für das Naturkapital auf landwirtschaftlichen Flächen und in Wäldern.

Hohe Umweltrisiken durch Großanlagen

Im Szenario „Zentral“ führt die intensive Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern zu einer deutlich geringeren Kohlenstoffbindung. Nur der Anbau schnell wachsender Energiehölzer auf landwirtschaftlich uninteressanten Flächen kann dem geringfügig entgegen wirken.

Die Energiehölzer auf den vorher offenen Flächen können die Biodiversität verändern, z.B. im Offenland brütende Vogelarten beeinträchtigen. Auch das Landschaftsbild wird negativ beeinflusst, da aus Kostengründen sowohl Ackerflächen als auch Energieholz auf extrem großen zusammenhängenden Flächen angelegt werden. Die Risiken für den gesamten Naturhaushalt steigen deutlich.

Umweltverträgliche Nutzung von Biomasse: Durchwachsene Silphie auf den Versuchsfeldern des LfULG in Pommritz. © Birgit Fleischer
Umweltverträgliche Nutzung von Biomasse: Durchwachsene Silphie auf den Versuchsfeldern des LfULG in Pommritz. © Birgit Fleischer

Entwicklung über Förderrecht steuern

Aus diesen Entwicklungen leitet sich ab, in welchen Bereichen von Ordnungs-, Planungs- und Förderrecht gegengesteuert werden sollte. Insbesondere im landwirtschaftlichen Ordnungsrecht ist erkennbar, dass der Landwirt als positiv handelnd verstanden wird. Das heißt, es wird angenommen, dass der Landwirt weiß, was für die Bewirtschaftung seines Landes „gut“ ist (Gute fachliche Praxis) und es wird ihm ein gewisses autonomes Handeln zugebilligt.

Dass inzwischen Betriebe mit dem Zweck der Gewinnerzielung unter industriellen Bedingungen die Felder bewirtschaften, wird wenig bis gar nicht thematisiert. In vielen Bereichen fehlen definierte Grenzwerte. Das Planungsrecht kann zwar eine landwirtschaftliche Nutzung für eine Fläche festsetzen, aber nicht vorgeben, wie diese Nutzung aussieht.

Das Förderrecht, im Wesentlichen dargestellt durch EEG und GAP, kann am ehesten auf die Bereitstellung von Bioenergie einwirken. So könnten bestimmte alternative Energiepflanzen gefördert werden, die deutlich naturverträglicher sind und gleichzeitig einen hohen Ertrag sichern, wie z.B. die Durchwachsene Silphie oder Blühmischungen. Nur so kann eine umweltverträgliche Nutzung von Biomasse für energetische Zwecke erreicht werden.