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Wie lässt sich Bauschutt nachhaltig entsorgen oder verwerten? EUDYSÉ entwickelte ein integriertes Konzept. © EUDYSÉ

EUDYSÉ

„EUDYSÉ“ verhilft Stadt und Land zum Zusammenspiel: Mit gemeinsam genutzten Verkehrswegen, neuem Bauland im Stadtinneren und Kreisläufen für Abwasser. Die Lösungen in Sachsen und Brandenburg zeigen, wie kleine Schritte Bevölkerungsschwund und -wachstum zukunftsfähig ausgleichen können.

Konkretisierung eines Leitbildes für die Planungspraxis

Eine dauerhaft umweltverträgliche Entwicklung erfordert einen sparsamen Umgang mit Flächen, Rohstoffen, Wasser und Energie. Siedlungsentwicklung und Landnutzung sind dabei von zentraler Bedeutung. Hierzu gibt es auf der politischen Ebene vielfältige Ziele und Leitbilder.

Um diese umzusetzen, müssen sie in konkrete Planungsaufgaben eingebunden werden. Dies war Anliegen des Vorhabens EUDYSÉ. Im Landkreis Meißen und der Region Havelland-Fläming entwickelte EUDYSÉ lokale Lösungen: für Siedlung, Verkehr, für Wasser, Abwasser und Energie.

Gesellschaftliche Veränderungsprozesse als Ausgangspunkt

Der Bevölkerungsrückgang stellt eine besondere Herausforderung dar. Rückläufige Siedlungsdichten, Baulücken und Brachen, ökonomische Tragfähigkeitsprobleme bei der Bereitstellung von Straßen, Wasserund Abwasserleitungen sowie ansteigende Bauabfallmengen aus Abrisstätigkeit sind mögliche Folgen. Hinzu kommen Veränderungen gesellschaftlicher Wertesysteme:
• Mit der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie liegen konkrete Reduktionsziele der Flächenneuinanspruchnahme vor,
• die Energiewende rückt erneuerbare Energien in den Vordergrund,
• das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz fordert höhere Verwertungsquoten ein,
• die Mantelverordnung des Bundesumweltministeriums zielt auf eine stärkere Berücksichtigung des Boden- und Gewässerschutzes bei der Verwertung von Bauabfällen.
Hieraus erwachsen vielfältige Anforderungen an die zukunftsfähige Gestaltung und Transformation der Flächen- und Siedlungsnutzung.

Widersprüchlichkeiten sind der Normalfall

Transformationsprozesse verlaufen nicht konfliktfrei – Widersprüche sind der Normalfall. Bei der Entwicklung und Umsetzung einer Transformation muss ein geeigneter Umgang mit ihnen gefunden werden. Ziele und Methoden unterschiedlicher Planungsebenen können Gegensätze hervorrufen, z.B. bei der Ausrichtung einer flächensparenden Siedlungsentwicklung. Vielfältige Nutzungsansprüche an das Straßennetz erschweren Effizienzbewertungen.

Neues tritt in Konflikt mit Tradiertem, etwa bei der Einführung neuartiger Sanitärsysteme in der Abwasserbehandlung. Das aktuelle Tagesgeschäft bindet die Aufmerksamkeit und entzieht langfristigen Weichenstellungen den Raum. Umbau kann mittelfristig Ineffizienzen hervorrufen, z.B. in Form von „Doppelerschließung“ bei Nachrüstung mit dezentralen Systemen; neue Ansprüche führen zu Bewertungs- und Nutzungskonflikten, z.B. im Zuge des Ausbaus von Bioenergie.

Gemeinsame Nutzung von Straßen durch Stadt und Land schafft finanzielle Kapazitäten für deren Erhalt. © EUDYSÈ
Gemeinsame Nutzung von Straßen durch Stadt und Land schafft finanzielle Kapazitäten für deren Erhalt. © EUDYSÈ

Strategischer Umgang mit Widersprüchlichkeiten

Einfache analytische Ansätze führen nur in seltenen Fällen zu akzeptablen Lösungen, die zur Auflösung der beschriebenen Konflikte beitragen können. Dies steht der Umsetzung einer nachhaltigen Landnutzung und effizienten Siedlungsentwicklung entgegen. EUDYSÉ stellte deshalb den aktiven strategischen Umgang mit Widersprüchlichkeiten in den Vordergrund: Das Verbundteam arbeitete entsprechende Strategien entlang konkreter Planungsfragen in den Beispielregionen heraus und bot integrierte Lösungsansätze für den Umgang damit an. Nachfolgende Beispiele sollen dies verdeutlichen.

Regionale Potenziale und lokale Umsetzung der Innenentwicklung

Um darzustellen, wie an der Fläche durch Bestandsnutzung „gespart“ werden kann, wurden alle Gemeinden der Region Havelland-Fläming nach Siedlungsstruktur und Marktsituation typisiert. Damit wurde eine Brücke zwischen regionalplanerischen Zielstellungen und kommunalen Handlungsansätzen geschlagen. Am Beispiel der Stadt Luckenwalde wurden Nutzungen von Baulücken und Brachen mit Hilfe städtebaulicher Entwürfe dargestellt. Stadtplaner bekamen darüber eine Vorstellung der erreichbaren Qualitäten im Stadtgebiet, die sie gegenüber Bauwilligen als zusätzliche Argumente für innerstädtische Standortentscheidungen einsetzen konnten.

Erschließungseffizienz auf dem Land: Lassen sich Kosten reduzieren und Flächen sparen?

Straßen und Wege müssen vielfältige Anforderungen erfüllen: Verbindung von Siedlungen, Erreichbarkeit landwirtschaftlicher Flächen oder touristische Nutzung. Vor allem in ländlichen Gemeinden kommt es zu starken Überlagerungen. Am Beispiel der Gemeinde Lommatzsch im Landkreis Meißen wurde das Wege- und Straßennetz nach Nutzungskategorien bewertet unter Beachtung des motorisierten Individualverkehrs, des öffentlichen Personennahverkehrs, touristischer Belange und des landwirtschaftlichen Verkehrs. Zwingend erforderliche Verbindungen lassen sich damit von solchen unterscheiden, bei denen Ausweichmöglichkeiten bestehen. Dies bietet die Möglichkeit für sachliche Entwicklungs- und Anpassungsdiskussionen in einem Themenfeld, das von der Öffentlichkeit äußerst sensibel wahrgenommen wird.

„Im Verbundprojekt EUDYSÉ untersuchten wir, wie sich das Ressourcen-Leitbild unter den jeweiligen lokalen Bedingungen und Trends – z. B. demografische Entwicklung – umsetzen lässt.“

Dr.-Ing. Georg Schiller, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)

Ressourceneffiziente Abwasserentsorgung: Verharren in starren Pfaden oder umlenken?

Stoffstromtrennung und kleinräumige Kreisläufe bergen große Effizienzpotenziale. Zugleich bestehen vielfältige Vorbehalte gegenüber diesen innovativen Technologien. Mit einem Bilanzierungsmodell wurden Abwasserentsorgungslösungen in beiden Beispielregionen kleinräumig simuliert und bewertet. Eine Zusammenführung dieser Anpassungsoptionen mit einer übergemeindlichen Transformationskostenbetrachtung, die eine Lokalisierung von Optionsräumen für die Erprobung innovativer Technologien ermöglicht, wird Kommunen ein neues Verfahren an die Hand geben; damit können robuste vorhandene Strukturen mit neuen Lösungen kombiniert werden.

Verwerten von Bauschutt und Ressourcen schonen: Ein Gegensatz?

Verringert sich die Bevölkerung, wird mehr abgerissen und die Bauabfallmenge steigt. Mit einer an ein Siedlungsmodell gekoppelten Materialflussanalyse wurden zukünftige Bauabfallmengen im Landkreis Meißen abgeschätzt und Folgen für die Verwertungswirtschaft dargestellt. Es wurde deutlich, dass zur Bewältigung der Mengen eine integrierte Betrachtung von Entsorgungs- und Deponieplanung unter Beachtung von Verwertungszielen, Bodenschutz und Gewässerschutz erforderlich ist. Ferner gilt es auf Landesebene wegweisende Konzepte zu entwickeln, wozu der EUDYSÉ-Verbund bereits Impulse geliefert hat.

Mit Abfall nachwachsende Rohstoffe ersetzen

Der Ausbau von Bioenergie erfordert große Mengen an Biomasse. Grünschnittabfälle, die auf Siedlungsflächen oder entlang von Straßen und Gewässern anfallen, werden hierfür bislang kaum genutzt. In der Region Havelland-Fläming wurden Potenziale dieser Flächen mit einer GIS-basierten Schätzmethode ermittelt.

Das Projektteam zeigte interessierten Gemeinden Möglichkeiten auf, wie die Potenziale erfasst, energetisch genutzt und damit nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden können. Dabei wurden Barrieren zwischen abfallwirtschaftlichen und rohstoffwirtschaftlichen Planungsdisziplinen aufgebrochen.

Wie lässt sich Bauschutt nachhaltig entsorgen oder verwerten? EUDYSÉ entwickelte ein integriertes Konzept. © EUDYSÈ
Wie lässt sich Bauschutt nachhaltig entsorgen oder verwerten? EUDYSÉ entwickelte ein integriertes Konzept. © EUDYSÈ

Wärme oder Gastransport?

Unter Berücksichtigung der Wärmenachfrage in Siedlungen und dem Wärmeangebot von Anlagen wurden in der Region Havelland-Fläming Machbarkeitsuntersuchungen von Wärmenetzen an bestehenden Biogasstandorten durchgeführt. Für ausgewählte Standorte wurden Umsetzungsschwierigkeiten betrachtet und Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen.

Diese sind vielfältig: Sie reichen von einfachen Lösungen wie Wärmenutzung durch Holztrocknung bis hin zu Pilotlösungen, die Biogasanlage und Heizkraftwerk trennen. Auch konventionelle Gasverteilungssysteme gehören dazu, die zum Einspeisen des Biomethans genutzt werden.

Nachhaltiges Landmanagement und Effizienz verknüpfen

Auslöser für Anpassungen sind Störungen. Neue Flächennutzungsanforderungen sowie das Leitbild Ressourceneffizienz können solche Störungen auslösen und Widersprüche im Planungsalltag erzeugen. Patentlösungen gibt es nicht. Um die notwendigen Schritte einleiten und die kritische Distanz der Praktiker zu neuen Lösungswegen überwinden zu können, braucht es kleinräumige experimentelle Lösungen.

„Für die Wasserver- und Abwasserentsorgung gibt es keine Standardrezepte. Sinnvoll ist: in kleinen Schritten vorgehen und vorhandene sowie neue Systeme miteinander kombinieren.“

Dr.-Ing. Georg Schiller, Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR)

Diese sollten zu einer Gesamtstrategie zusammengeführt werden, die Bestehendes verbessert, Akzeptanz fördert und Innovationen ermöglicht. Die in EUDYSÉ erarbeiteten Methoden und Werkzeuge helfen, Lösungen für den Umgang mit Widersprüchlichkeiten zu entwickeln. Zusammengefasst werden diese in der Buchpublikation „Wege zur Umsetzung von Ressourceneffizienzstrategien in der Siedlungs- und Infrastrukturplanung“.