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Kann Abwasser Grundwasser ersetzen? Das Projekt „ELaN“ erprobt im Großraum Berlin neue Wege für den Einsatz behandelten Abwassers in Feuchtgebieten und Mooren sowie auf Plantagen. Abwasser wird zum Wertstoff. Ein Auftakt.

Lästiger Reststoff oder wertvoller Rohstoff?

Abwasser als Ressource sinnvoll zu nutzen ist in vielfacher Hinsicht eine wünschenswerte Aufgabe. Behandeltes Abwasser wird heute in der Regel in Flüsse eingeleitet, womit mehrere Probleme verbunden sind. Zum einen geht das Wasser dem regionalen Wasserhaushalt verloren; zum anderen landen die noch im gereinigten Abwasser vorhandenen Nähr- und Schadstoffe in den Fließgewässern und anschließend in der Ost- und Nordsee. Hier tragen sie zur Nährstoffanreicherung mit entsprechend negativen Folgen für die Gewässerqualität bei.

Zusätzlich sind weitere problematische Spurenstoffe – z. B. aus Arzneimitteln oder Kosmetika – im gereinigten Abwasser enthalten, die bei Anreicherung als Gifte die Lebewesen in den Gewässern bedrohen können. Die EU-weit geltende Wasserrahmenrichtlinie greift dieses Problem auf und verpflichtet alle Mitgliedsstaaten zu einer Verringerung der Nähr- und Schadstoffeinträge in Oberflächengewässer. Alternativ zum bisherigen Umgang mit behandeltem Abwasser ist es denkbar, die Nährstoffe (Stickstoff, Phosphor) als Düngemittel für die Landwirtschaft und das Abwasser für die Stabilisierung des regionalen Wasserhaushalts zu nutzen.

Gerade in Regionen, die aufgrund des Klimawandels mit einem weiteren Rückgang der ohnehin geringen Niederschläge rechnen müssen, kann behandeltes Abwasser zum Bestandteil eines nachhaltigen Wasser-, Land- und Stoffmanagements werden.

Schwerpunktthemen im ELaN-Projektverbund. © ELaN
Schwerpunktthemen im ELaN-Projektverbund. © ELaN

Risiken und Potenziale der Abwassernutzung

Von Beginn an kooperierte das Projekt ELaN intensiv mit Praxispartnern wie den Brandenburger und Berliner Wasserbehörden, Wasser-, Boden- sowie landwirtschaftlichen Verbänden, Umweltorganisationen und Akteuren der Regionalplanung. Der Einsatz von behandeltem Abwasser wurde auf ehemaligen Rieselfeldern am Rand des Stadtgebiets Berlin sowie einer Niedermoorfläche im ländlichen Raum Brandenburgs erprobt.

„Durch die Ausbringung von behandeltem Abwasser können Feuchtgebiete mit vielfältigen Pflanzen- und Tierarten erhalten bleiben.“

Dr. Petra Koeppe, Projektkoordinatorin ELaN

Die Risiken der Abwassernutzung wurden von Hydrologen, Chemikern und Ökotoxikologen abgeschätzt. Gleichzeitig befassten sich Agrarwissenschaftler mit alternativen Landnutzungen und Sozialwissenschaftler mit möglichen Veränderungen der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen.

Rieselfelder als Quellen für Naherholung und Energieerzeugung

Rund um den Ballungsraum Berlin finden sich insgesamt 22.000 ha ehemalige Rieselfelder. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde hier über Jahrzehnte unbehandeltes Abwasser ausgebracht, so dass der Boden bis heute stark mit Schadstoffen belastet ist. Die Eigentümer – größtenteils das Land Berlin – sind dafür verantwortlich, die Flächen so instand zu halten, dass die davon ausgehenden Risiken z. B. für angrenzende Fließgewässer und das Grundwasser gering bleiben. Gleichzeitig sind sie interessiert daran, die Flächen für das lokale Umfeld attraktiv zu gestalten und geeignete Kulturen anzubauen, mit welchen die Kosten für die Instandhaltung gesenkt werden können.

Auf den ehemaligen Rieselfeldern Hobrechtsfelde ist es durch eine Mischung von Wald, Wiese und Busch geglückt, Lebensraum für unterschiedliche Tiere und eine reizvolle Erholungslandschaft zu erschaffen. Hierzu trägt auch die Ausbringung von behandeltem Abwasser aus dem nahegelegenen Klärwerk Schönerlinde bei, wodurch Feuchtgebiete mit vielfältigen Pflanzen- und Tierarten erhalten bleiben.

Auf den ehemaligen Rieselfeldern Wansdorf wird der Anbau schnellwachsender Hölzer wie Erle und Pappeln zur Energiegewinnung erprobt. Die Bewässerung mit behandeltem Abwasser kann hier zur Versorgung der Pflanzen in Trockenperioden beitragen. Die im Projekt ELaN durchgeführten Versuche verdeutlichen, dass für einen Energieholzanbau geringer belastete Flächen identifiziert werden müssen. Um die Transportkosten zu minimieren, empfiehlt es sich ferner, das Energieholz in der Nähe der Kläranlage anzubauen und auf kurze Wege für die weitere energetische Nutzung zu setzen.

ELaN nutzte zwei Modellgebiete für den Praxiseinsatz von behandeltem Abwasser. © ELaN
ELaN nutzte zwei Modellgebiete für den Praxiseinsatz von behandeltem Abwasser. © ELaN

Wiedervernässung von Mooren fördert Klimaschutz und Produktideen

Brandenburg verfügt über umfangreiche Feuchtgebiete und Moorflächen. Die Moorböden haben den größten Teil der Torfschicht verloren, da sie in den letzten Jahrzehnten weitgehend entwässert wurden, um eine intensive landwirtschaftliche Nutzung zu ermöglichen. Da Moore wichtige CO2-Speicher darstellen, hat ihre Erhaltung und Wiederherstellung im Zuge des Klimawandels an Bedeutung gewonnen. Vieles spricht deshalb für eine Wiederanhebung des Grundwasserstands auf diesen Flächen. Die landwirtschaftliche Nutzung an die jeweiligen Standortbedingungen anzupassen und nicht umgekehrt würde einen Paradigmenwechsel bedeuten.

Denkbar sind verschiedene standortangepasste Nutzungen wie etwa der Anbau von Schilf oder Rohrglanzgras für die stoffliche oder energetische Verwertung oder eine Beweidung mit Wasserbüffeln. Einige Wasser- und Bodenverbände sowie Landwirte haben die Zeichen der Zeit erkannt und sind aufgeschlossen für veränderte Bewirtschaftungsformen.

Die Untersuchungen in ELaN machen deutlich, dass sich die Bewirtschaftung vernässter, schwer befahrbarer Flächen bislang nicht rentiert, da unter anderem Vermarktungsmöglichkeiten für die neuen Produkte fehlen. Wenn die Landwirtschaft durch die standortangepasste Bewirtschaftung von Moorflächen einen wichtigen Beitrag zum Klima- und Naturschutz leistet, sollte dies daher durch entsprechende Rahmenbedingungen honoriert werden.

Die im Modellgebiet vergleichsweise geringen Abwassermengen können nur bei direkter Nachbarschaft der Kläranlage einen Beitrag zur Wiedervernässung solcher Flächen leisten. Ein Großteil der Feuchtgebiete und Moore ist auf ein verändertes Wassermanagement angewiesen, damit die Grundwasserstände wieder ansteigen.

Proben aus dem Niedermoor Biesenbrow zeigen, wie sich die Schadstoffbelastung des Bodens verändert. © ELaN
Proben aus dem Niedermoor Biesenbrow zeigen, wie sich die Schadstoffbelastung des Bodens verändert. © ELaN

ELaN empfiehlt Risikoabwägung

Hierzulande ist es gesetzlich verboten, behandeltes Abwasser in die Landschaft oder auf landwirtschaftliche Flächen auszubringen, da eine Verunreinigung des Grundwassers befürchtet wird. Allerdings werden die oben genannten Argumente, die für ein stärker regional orientiertes Wasser- und Stoffmanagement sprechen, sowie die Problematik beim Schutz der Oberflächengewässer von den Behörden zunehmend wahrgenommen; auch das Interesse an Pilotprojekten mit begleitender Forschung steigt.

Die Notwendigkeit, sich mit der Problematik zu befassen, hat sich auch durch die Forderung im „Water Blueprint“ der EU (2012) nach EU-weit einheitlichen Standards zur Nutzung gereinigten Abwassers verstärkt. Hier besteht Handlungsbedarf.

Eine der wesentlichen Ziele von ELaN war es daher, potentiellen Nutzern von behandeltem Abwasser sowie den Wasserbehörden Empfehlungen für eine Risikoabwägung in Form von Entscheidungshilfen an die Hand zu geben. Die Aufbereitung des Wissensstandes und die Unterstützung bei der Abwägung von Risiken wurde von Anwendern als sehr hilfreich empfunden.

Da das Thema durch die Entwicklungen in der EU überaus aktuell ist, kann man davon ausgehen, dass die Empfehlungen von ELaN auf reges Interesse stoßen werden. Mit einfachen und allgemeingültigen Lösungen ist jedoch nicht zu rechnen, da der jeweilige ökologische und gesellschaftliche Nutzen sowie die potentiellen Risiken von Fall zu Fall abgewogen werden müssen.

Im Niedermoor Biesenbrow wird die Wiedervernässung mit Abwasser aus der Kläranlage erprobt. © ELaN
Im Niedermoor Biesenbrow wird die Wiedervernässung mit Abwasser aus der Kläranlage erprobt. © ELaN

Weichen stellen für nachhaltige Land- und Wassernutzung

Eine veränderte Bewirtschaftung von Sonderstandorten wie Mooren oder ehemaligen Rieselfeldern ist mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken für alle Beteiligten verbunden. Mittelfristig angelegte Pilotprojekte mit entsprechender Begleitforschung sind deshalb für die Beteiligten – u.a. Genehmigungsbehörden, Landnutzer, Anwohner sowie Interessensgruppen wie Umwelt- und Naturschutzverbände – wichtig, um Erfahrungen zu sammeln und Unsicherheiten abzubauen.

Auch Instrumente wie DSS-TORBOS, das in ELaN entwickelte digitale Entscheidungsunterstützungssystem, können hierzu beitragen: DSS-TORBOS zeigt den Landwirten die Vor- und Nachteile verschiedener Bewirtschaftungsformen bei unterschiedlichen Grundwasserständen und bezogen auf die spezifischen Bedingungen ihrer Flächen auf. In größerem Maßstab wird sich nachhaltiges Land- und Wassermanagement jedoch nur durchsetzen können, wenn auch die Rahmenbedingungen sich ändern. Die Untersuchungen in ELaN verdeutlichen, dass ein gesellschaftlicher Diskussionsprozess über den Wert einer multifunktionalen Landwirtschaft, die neben der Erzeugung von Marktprodukten auch aktiven Klima- und Naturschutz leistet, notwendig ist. Die in ELaN entwickelten Szenarien und das ELaN-Strategiekonzept beleben den Diskussionsprozess; zudem ermöglichen sie es Entscheidungsträgern auf verschiedenen Ebenen, eine Vorstellung der Entwicklungsrichtungen zu erhalten und sich ihrer Handlungsspielräume bewusst zu werden.